Ich zeichne, also bin ich

Seitdem ich einen Stift halten kann, zeichne ich. Die Faszination ein Bild zu kreieren, welches in meinem Kopf als Idee existierte, hat mich bis heute nie verlassen. Ich gehöre jedoch nicht zu den Menschen, welche ihre genaue Fantasie auf Papier bringen können. Bei mir ist es eher eine Richtung, eine Atmosphäre, welche im Prozess Form annimmt. So bleibt es schliesslich auch für mich spannend und immer eine grosse Herausforderung. Als Kind hatte ich viele Wutausbrüche, wenn ich nicht fähig war, das Bild in meinem Kopf auf das Papier zu bringen und somit anderen Menschen zeigen zu können. Viele Papierknäuel lagen am Boden und ständig musste ich von vorne anfangen, weil meine Kreationen nicht meinen Erwartungen entsprachen. Plötzlich konnte ich aber Linien gezielter so setzen wie ich es wollte, Farben und Formen bestimmter finden. Dies gab mir als Kind/Teenager eine sehr grosse Freude und ist auch heute eines meiner grossen Erfolgserlebnisse, die ich anstrebe.


Kindheit illustrieren


Wie auch andere Kinder, liebte ich es Figuren und Geschichten zu erfinden und diese zu spielen. Ganze Welten mit den darin lebenden Charakteren wurden erstellt und mit anderen Kindern untereinander gespielt, gelebt und zum Ausdruck gebracht. Ich zeichnete Szenen nach, welche ich mit meinen Kameraden gespielt hatte, zeichnete Cover von angeblichen Büchern oder Filmen und hörte für mich alleine in meinem Zimmer Filmmusik und stellte mir dazu passende Szenen mit diesen Figuren vor. Ich tat dies, weil es einfach so viel Spass machte und ich sehr gerne in ganze Welten abtauchte. Wenn andere hierbei noch dabei waren, schien es für mich eine totale Party voller Kreation, Witz und Spass, welche am besten nie aufhören sollte.






Motivation als Kind


Nebst allen möglichen Gründen, welche ich nun schon erwähnte, war ein grosser Motivator und eine grosse Freude auch die Sympathie meiner eigenen Familie für Zeichnungen, Geschichten und Figuren. Beispielsweise sahen wir uns Trickfilme und Animationen als ganze Familie an und nicht nur wir Kinder untereinander. Meine Mutter und mein Vater genossen die Figuren auf den Leinwänden, lachten und verfolgten die Geschichte interessiert und gespannt mit uns mit. Neben den Filmen war ein grosser Teil auch eine Comic-Serie eines slowenischen Künstlers und Autor namens Miki Muster. Auch hier teilte die ganze Familie die Freude an diesen Figuren und Geschichten. 


Diese Bücher und Geschichten begleiteten uns überall hin mit. Mein Vater las uns diese Geschichten vor, sei es am Strand am Mittelmeer, unter einem Feigenbaum oder zu Hause auf dem Bett oder Sofa. Oft blätterte er die Seiten um und fing an zu lachen, weil ihm die gezeichneten Figuren gefielen, bevor er mit dem Erzählen der Geschichte weiter machte. Diese schönen Momente brachten auch mich als Kind dazu, solche Geschichten und gezeichneten Bilder zu schätzen und das Können des Illustrators als etwas ganz aussergewöhnliches anzusehen. 


Schlicht und einfach, brachten uns diese Geschichten als Familie Freude und gemeinsame Zeiten, in denen wir viel lachten und auch über die Inhalte der Geschichten diskutierten, einander Fragen stellten und zusammen die Zeit genossen. Als ich älter wurde und selber Figuren anfing zu zeichnen, war es das tollste Gefühl, wenn meine Familie diese Zeichnungen ansahen und über Figuren lachten oder diese spannend empfanden. Später breitete sich dies auf meinen Freundeskreis und mein Umfeld aus. Ich benötige heute nicht mehr dasselbe Mass an Bestätigung, was ich als Kind oder früher Teenager haben musste, was in unserer emotionalen Entwicklung wohl im Idealfall normal ist. Freue mich aber keinesfalls weniger, wenn sich Jemand über meine Bilder erfreut. 


Es ist schlicht und einfach für mich das tollste Gefühl überhaupt, wenn jemand ein Bild von mir anschaut, schmunzelt und Freude hat oder nachdenklich wird. Dies müssen auch nicht starke oder tiefe Gefühle sein. Es entsteht eine Verbindung auf anderer Ebene zwischen mir und dem Betrachter, welche mit Worten nicht auf selber Ebene stattfinden kann. Manchmal kommt es vor, dass Bilder Dinge zeigen, von denen wir nicht wussten, dass der andere Mensch sie auch auf dieser Ebene verstehen kann oder wertschätzt oder im Falle der Kunst vielleicht sogar sich provoziert fühlt. Worte fehlen einem manchmal und ich sehe in Bildern somit immer eine grosse zwischenmenschliche Chance auf sichtbare Verbundenheit oder eine neue Diskussion welche dadurch gestartet wird. Sei es für ein Gefühl, ein Thema oder ein Gedanke, welcher in Worten nicht genau gleich fassbar gewesen wäre. 


Hierbei muss es sich nicht um sehr tiefgründige Bilder handeln. Einfache Figuren oder vielleicht sogar nur ein Farbfleck können solches auslösen, denke ich. Ganz klar tun dies Geschichten und deren Bilder. Sie sprechen uns an, bringen uns zum Nachdenken, miteinander reden, lachen oder weinen. Es verbindet uns Menschen schlussendlich. Wir erzählen Geschichten und unser eigenes Leben ist voll davon. Manche erzählen es durch Musik, andere durch Text und Worte und solche wie ich wählen Bilder.



Entwicklung


In den 90er bis späten 2000er waren meine Hauptwerkzeuge zum Zeichnen oder malen ganz klar nur analog und klassisch. Digitale Kunst und Illustration lag eher in weiter Ferne für den normalen Teenager, da diese Werkzeuge und Grafik-Tablets einfach viel zu teuer und auch sehr kompliziert in der Anwendung für einen Laien waren. Heute sieht dies ganz anders aus und solche Tablets und iPads sind plötzlich für den normalen Laien oder Hobbykünstler erschwinglich geworden. 


Die analoge Arbeit hat aber überhaupt nicht an Wert verloren. Im Gegenteil würde ich sogar sagen, dass meine Zeichnungsfähigkeiten hauptsächlich dank der analogen Arbeiten entstanden sind. Analog und digital können sich meiner Meinung nach sehr gut ergänzen und kommen in verschiedenen Anforderungen zum Einsatz. 


Viele Illustratoren starten analog und gehen für die Feinarbeit der Projekte ins Digitale über. Ich arbeite für Kundenaufträge hauptsächlich digital und mache meistens nur die ersten Skizzen analog, um ein Gefühl der Richtung zu erhalten. Vielleicht ist es Bequemlichkeit, aber ich habe das Gefühl so schneller zu sein. Ein grosser Grund dafür ist bestimmt auch, dass ich mit dem offiziellen Start meiner Illustration-Karriere ein neues iPad gekauft hatte und das damals neue Programm Procreate mich aus allen Wolken geworfen hat. 


Mir hat die Benutzung dieses Programmes einfach sehr viel Spass und Freude gemacht. Analog bin ich hauptsächlich mit meinem Skizzenbuch, für mich selber und für meine Entwicklung unterwegs. Natürlich möchte ich das analoge wieder mehr in meine Arbeit und insbesondere in meine Experimente einfliessen lassen, da hier wie ein Gefühl des Ursprungs und Rohaftigkeit liegt. Im analogen Prozess passieren mehr Fehler und genau diese sind es, welche uns weiter bringen.





Weitere Generationen



Ich persönlich habe nicht das Gefühl, dass die neue Generation, welche schon sehr für mit dem iPad oder anderen Tablets zeichnen kann, an Qualität verliert. Schliesslich muss es trotz digitalen Zeichnungshilfen oder mehreren Ebenen, welche locker ein und ausgeblendet werden können, die Idee dahinter für sich sprechen und das Endprodukt den Betrachter ansprechen, wenn dies gewünscht ist. Welcher Weg dafür verwendet wurde, spielt keine Rolle, denke ich. 


Das Können des einzelnen zeigt sich in seinem Schaffen. Nicht auf welchen Weg er dies gelernt hat. Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich einfach nur für mich sagen, dass ich mir zwar schwierig vorstellen könnte, heute ein Teenager zu sein und in meinem Zimmer zu zeichnen. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich ständig von Nachrichten und Social Media wohl abgelenkt worden wäre und mein Bild nie wirklich fertig gemacht hätte. 


Andererseits hätte ich vielleicht viel mehr gemacht, um diese Bilder auf Social Media zu posten und auf die Reaktion der Welt zu warten. Unbewusst oder bewusst hätte ich aber wohl gezielt Inhalte erstellt, welche mehr Likes erhalten, was problematisch sein kann. Oder selber tief enttäuscht gewesen wäre, wenn der Algorithmus meine Bilder nicht beachtet und ich somit keine Likes erhalten hätte. Vielleicht hätte ich aufgehört zu zeichnen, wenn Jemand einen fiesen Kommentar hinterlassen hätte? Ich stelle es mir anstrengend und unter Umständen (Ohne Aufklärung) ziemlich gefährlich vor.


Meine Bilder sah niemand, nur meine Familie und Freunde, welche zu mir nach Hause zu Besuch kamen. Somit kann ich es schlicht und einfach nicht sagen, wie es jede Generation nicht wirklich sagen kann. Sicherlich war die Generation vor mir auch darüber entsetzt wie einfach ich zuhause zeichnen und malen kann, Zeit dafür habe oder dies als Frau zum Beispiel überhaupt darf.



Fazit


Auch ich möchte weiterhin einen Zeichnungsstift in den Händen halten, bis ich hoffentlich ganz alt bin. Ein Skizzenbuch mit Flecken in der einen Tasche und ein sauberes digitales Hightech Tablet in der anderen. Jedes Projekt und jedes Bild soll ein neuer Massstab für mich selbst sein, aber viel wichtiger als Entwicklung sehe ich die Freude und den Spass daran, und auch die Fähigkeit zu akzeptieren, wenn man sich eine Zeit lang nicht weiterentwickelt hat. Auch dies mag sinnvolle Begründungen haben, welche wir vielleicht nicht immer verstehen. Lebensqualität steht meiner Meinung nach über Entwicklung, Profit oder Status. Schliesslich kann ein einzelnes Menschenleben unter Umständen sehr kurz sein, da will ich besonders Spass an meinen Bildern haben. Dies wusste ich als Kind zwar eher (trotz Wutausbrüchen), musste mir dies im erwachsenen Alter wieder selber beibringen. Auch dies sehe ich eigentlich als positive Entwicklung. Ha!





Ich arbeite als freischaffende Illustratorin. Vielen Dank für das Interesse.
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