Die Strassenkamera

Haben Sie schonmal den Begriff «street photography» gehört?





Hier geht es nicht darum, explizit ein Foto von einer bestimmten Strasse zu machen.
Tatsächlich handelt es sich hier um ein sogenanntes Genre der Fotografie. In den meisten Fällen gilt ein Foto als «Street» wenn das Bild in urbanen oder öffentlichen Räumen gemacht wurde. Wie zum Beispiel Cafés, Geschäften, Plätzen und anderen bestimmten Orten an denen sich Menschen im Alltag aufhalten. Die grosse und hauptsächliche Idee hinter dieser Art der Fotografie besteht darin, den Moment so natürlich und echt wie nur möglich festzuhalten. Sozusagen ein Bild der Wirklichkeit zu erhalten und eine Chance von anderen Perspektiven und Menschen betrachtet zu werden. Die Personen darauf wissen bestenfalls nicht, dass Sie gerade fotografiert wurden und verhalten sich dementsprechend natürlich und authentisch. Egal in welcher Szene der Fotograf sie gerade verewigt hat. Bilder einer Strassenfotografie-Serie zeigen uns also nichts gestelltes oder inszeniertes. Damit können wir das Leben aus ganz anderen Facetten betrachten, bestimmte Milieustudien besser verstehen oder zumindest ein visuelles Bild damit vermittelt. Bilder sagen mehr als tausend Worte.

Hierbei ähnelt sich die Journalismus-Fotografie der Strassen-Fotografie sehr stark unter bestimmten Umständen. Allerdings besteht der Unterschied meist darin, dass der journalistische Hintergrund sich mit einem bestimmten Thema beschäftigt und dazu ein Statement folgt oder mit Text und Aussage kombiniert wird. In der Strassen-Fotografie ist es nicht zwingend, dass der Fotograf gezielt ein bestimmtes Thema verfolgen und dokumentieren möchte. Hier spielt vielmehr das Entdecken eine Rolle. Natürlich überschneiden sich diese beiden Genres in vielen Hinsichten.

Wie geht ein solcher Fotograf vor?

Wie jeder Künstler oder Spezialist in seinem Gebiet unterschiedliche Techniken hat, so hat auch jeder Fotograf seine eigenen Herangehensweisen. Als Erstes muss wohl aber die richtige Kamera vorhanden sein. Hierbei gibt es nicht wirklich die beste Kamera oder die passendste für jedes Unterfangen. Vielmehr spielt der Umgang und die Vorlieben eine Rolle. Diese Unterscheiden sich von Mensch zu Mensch und somit von Kamera zu Kamera. Ein bekanntes Sprichwort lautet allerdings ganz klar:
«Die beste Kamera ist immer die, welche mann dabei hat.» Dies stimmt wohl, denke ich.

Das Aufkommen der Strassen-Fotografie wurde ab dem Jahre 1930 allerdings technisch klar gefördert. Hierbei traten die ersten schnelleren und kompakteren Kleinbildkameras auf und die Öffentlichkeit interessierte sich erstmals mehr für die Eindrücke des Alltagsleben. 

Der Fotograf bewegt sich in einer oben genannten Gegend und haltet Ausschau nach potenziellen Schnappschüssen. Er muss seine Umgebung sehr gut beobachten und fähig sein, spannende Momente auch als solche erkennen zu können. Wenn er die Menschen und das Geschehen um sich herum gut wahrnehmen kann, gelingt ihm vielleicht sogar das Erahnen von guten Momenten und Schnappschüssen. Auch hier macht Übung den Meister. Ein guter Strassen-Fotograf bewegt sich um das Objekt seiner Begierde herum, um eine spannende Perspektive, Komposition oder Lichtverhältnisse einzufangen. Hierbei spielt auch Improvisation eine enorm wichtige Rolle und meistens passiert solches Unterfangen, ohne festem Bild im Kopf. Der Fotograf geht einfach los und sieht welche Szenerie das Leben ihm bietet oder welche Gestalten seinen Weg kreuzen. 

Wenn der richtige Moment und das einmalige Bild sich vor seinen Augen zeigen, muss er schnell genug sein um sofort reagieren zu können. Das Bild, welches er einfangen möchte, verschwindet in wenigen Millisekunden. Ich selber denke, dass genau das Einfangen solcher Momente des Lebens einen sehr grossen Reiz auf den Fotografen hat, da dies auch eine grosse Herausforderung darstellt aber genauso überraschend und glücklich sein kann.

Ist der Charakter des Fotografen in seinen Bildern erkennbar?

Natürlich zeigt ein Bild eines Fotografen mindestens die Thematik, welche ihn interessiert und dies kann schon vieles über ihn als Menschen aussagen. In der spontanen Strassen-Fotografie denken sich viele Menschen vielleicht: «Wenn ja sowieso alles nur per Zufall passiert, braucht es doch kein Talent oder Fachwissen, oder? Kann hierbei überhaupt ein Stil des Fotografen entstehen, welches ihn erkennbar macht»? Ich sage ja.

Meiner Meinung nach erfordert es eine enorme Beobachtungsgabe der Menschen, deren Umgebung und Situationen um genau das interessante oder faszinierende aus vielleicht banalen Situationen zu finden. Dazu ein sitzendes Fachwissen, um einen solch erkannten Moment eindrücklich einzufangen. Hierbei ist interessant, dass jeder Fotograf andere Dinge oder Szenen fotografiert. Genau hier zeigt sich sein Charakter und die Einzigartigkeit. Er mag vielleicht Dinge, Situationen und Menschen sehen, erkennen, welche für andere völlig unsichtbar oder unbedeutend bleiben. Ich persönlich glaube, dass solche Bilder einiges über den Fotografen und dessen Persönlichkeit aussagen können. Die Art und Weise wie er das Leben um sich herum sieht, betrachtet, festhält oder was in beschäftigt und ihm auffällt, zeigt was er in diesem Moment als spannend, sehenswert oder einfach eindrücklich empfindet. Was es ganz genau über ihn aussagt, kann bei manchen Bildern wohl klar frei interpretiert werden.


Gefahren?

Manch solcher Fotograf geht ein Risiko ein, wenn er bestimmte Menschengruppen oder Situationen fotografiert. Was er als ethisch vertretbar definiert und welcher Sinn er hinter seinen Bildern anstrebt ist sein persönliches Anliegen und hier erwähne ich nochmals kurz, dass Journalismus-Fotografie meist  bewusst auch das Dokumentieren von Situationen oder politischen Momenten in Angesichts der Gefahr gezielt ausüben um zu berichten. In der Strassen-Fotografie kann dies natürlich auch vorkommen und hierbei ist genauso wichtig ein Gespür für die Menschen zu haben und sich selber seinen Respektrichtlinien unterzuordnen. Es kann natürlich vorkommen, dass gerade der falsche Typ fotografiert wurde und nun Konflikt entstehen kann. Die meisten Strassen-Fotografen entschuldigen sich, löschen das Bild und die Sache ist erledigt. Diplomatie, Menschenkenntnis und Situationseinschätzung sind von Vorteil und für die eigene Sicherheit wichtig. Wer dies aber falsch eingeschätzt hat, war wohl leider zur falschen Zeit am falschen Ort. (mit einer Kamera.)


Fremde Leute fotografieren? Bist du verrückt?

Diese Art von Fotografie, welche auch als Kunstform betrachtet werden kann ist vor allem in England, Amerika oder auch in asiatischen Ländern bekannt. Die Menschen dort, verstehen wenn Jemand mit Kamera auf der Strasse fremde Leute fotografiert und fühlen sich entweder geschmeichelt, lehnen das Foto ab oder ignorieren die Tatsache. In der Schweiz sind solche Kunstformen oder Arten der Fotografie noch völlig unbekannt. Zumindest bei den Leuten welche sich nicht mit kreativen, fotografischen oder künstlerischen Themen auseinandersetzen. Menschen in der Schweiz reagieren oft verwirrt oder ablehnend. Ich verstehe dies natürlich sehr gut und weiss, dass es komisch sein kann, wenn eine fremde Person plötzlich ein Foto von dir macht, ohne vorher zu fragen. Aber auch hier ist genügend Menschenkenntnis und Respekt erforderlich. Wichtig zu beachten ist, dass es bei ungefragten Personen mehr Leute auf dem Bild hat. Wenn eine Ausstellung gemacht wird, muss abgeklärt werden was in der Schweiz möglich ist und was nicht. Insbesondere, wenn mit diesen Bildern Geld verdient wird. Wenn die Grenzen klar überschritten werden ist es aber doch wichtig, finde ich die jeweilige Person zu fragen. In Angesichts des Fotografen, verstehe ich beide Seiten. Zum einten die Möglichkeit ein unglaublich tolles Bild zu machen aber auch auf der anderen Seite die Grenzen der Menschen unbedingt zu akzeptieren. Ich persönlich denke, dass eine goldige Mitte jeder für sich definieren muss.

Warum fragst du nicht einfach?

Wir verhalten uns anders, wenn wir wissen, dass von uns ein Foto gemacht wird. Natürlich gibt es Menschen, welche sehr fotogen sind und auch vor der Kamera, natürlich wirken können aber leider sind dies nicht sehr viele Menschen und die Situation und der Moment verliert seine totale Lebendigkeit und Authentizität. Zumindest für die Strassen-Fotografie. Wenn solche Momente gestellt werden, müssen professionelle Models arrangiert werden um die Qualität wieder herstellen zu können. Mit spontaner Strassen-Fotografie hat dies aber nichts mehr zu tun.

Fotografen, welche ich spannend finde:


Matt Stuart

Wurde in England Harrow, north west London geboren. Seine Strassenfotografien zeigen meist eine ganze Szene. Das Alltagsleben in London ist sein häufiges Sujet. Er arbeitet als angestellter Fotograf bei Magnum und macht neben Strassenfotografie auch bezahlte Werbefotografien.



Bruce Gilden

Er wurde in New York Brooklyn geboren und ist bekannt für sein Interesse an Menschen und deren Gesichtszügen. Anders als die meisten Strassenfotografen stolziert er auf die Menschen zu und fotografiert diese mit Blitzlicht ganz nahe und ziemlich aufdringlich mit wenig Sinn für Privatsphäre. Die Menschen, welche er fotografiert realisieren es erst meist in dem hastigen Augenblick, dass von Ihnen ein Foto gemacht wurde.




Ich selber schätze Fotografie sehr und interessiere mich dafür in vielen Bereichen aber hauptsächlich als Betrachter. Als freischaffende Illustratorin bin ich mehr zeichnerisch tätig aber versuche zwischendurch auch mal gerne wieder meine Kamera in die Hand zu nehmen.




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