Skizzenbücher als Begleitung 

Die Faszination für Skizzenbücher überkam mich erstmals im gestalterischenVorkurs als uns Dozenten auf diesen Begleiter von Künstlern oder Denker aufmerksam machten. Wie werden diese Bücher also genau benutzt und weshalb? Wie benutze ich solche Skizzenbücher oder Journale und warum?




Was ist ein Skizzenbuch oder Journal?

Den meisten Menschen wird klar sein, was ein Skizzenbuch ist und weshalb solches von manchen Menschen benutzt wird aber bei tieferer Betrachtung könnte es interessant sein, mehr darüber zu erfahren. Ich selbst hatte als Kind oder Teenager nie ein Skizzenbuch. Obwohl ich sehr gerne zeichnete, kam es mir schlichtweg einfach nie in den Sinn. Schliesslich hatte ich Mappen in denen meine Zeichnungen verkrümmt und zerknittert vor sich hin existierten. Alles wunderbar. Wenn beim Zeichnen Fehler passierten, wurden diese einfach wegradiert. So lernen wir es schliesslich auch in der Schule. Als ich in den Vorkurs kam, wurde diese Haltung von Grund auf verworfen und von neuen Perspektiven betrachtet.

Wir sollten nicht mehr alle Fehler sofort ausradieren, sondern viel lieber Studien machen und eine Sammlung davon erarbeiten. Das Sammeln von Ideen oder Gedanken und natürlich auch Skizzen oder Zeichnungen waren eine ganz neue Art von Denkprozess und im Nachhinein sehr spannend zu betrachten. Fehler wurden stehen gelassen, Ideen welche nicht gut erschienen, wurden nicht ausradiert, sondern  durften existieren. Nicht selten kam es vor, dass später doch wieder an einem angeblichen Fehler angeknüpft wurde, um einen ganz neuen Weg des Projektes zu finden. Es stellte sich manchmal also heraus, dass es doch kein Fehler war und mithilfe dieser Denkstütze eines Skizzenbuches von Bildern, Studien und Notizen, war es für mich erstmals möglich einen ganzen Gedankenprozess sichtbar zu sehen und somit auch eine Entwicklung eines Projektes.

Ein Skizzenbuch ist also ein leeres Buch oder Heft, welches der Eigentümer mit seinen Gedanken, Notizen oder Skizzen und Zeichnungen füllt. Im Idealfall ist es ein ständiger Begleiter, welcher Entwicklung, Gedanken, Prozesse oder einfach Erinnerungen sichtbar macht.

Ein hässliches Skizzenbuch

Ein Skizzenbuch mit nur schönen Bildern ohne Makel oder Fehler ist kein Skizzenbuch, so die Meinung mancher Dozenten an Kunstschulen. Natürlich ist es ein schönes Zeichnungsbuch zum Betrachten aber kein Skizzenbuch in dem gearbeitet wurde. Als ich das erste Mal ein Skizzenbuch versuchte zu benutzen und mir aus Versehen Kaffee über die Seiten schüttete, war ich erschrocken, dass nun meine Zeichnung vom Kaffee verschmutzt und zerstört sein würde. Ich versuchte das zu retten was noch zu retten war als ein Dozent mich dabei beobachtete und anfing zu lachen. Er kam zu mir und meinte voller Aufregung: «Sieh mal einer an, ein glücklicher Unfall. Nun sieht das ziemlich cool aus mit dem Kaffee. Nun ist das Bild spannender und du hast eine Erinnerung an diesen Moment. So muss es sein. Ein Skizzenbuch soll dich im Leben begleiten und auch daran Teil haben. Kaputte Seiten, Fehler und Ausrutscher gehören auch dazu und sind spannend. Erst wenn du keine Angst mehr davor hast Fehler zu machen und jede Seite immer nur schön zu machen, wirst du wirklich frei sein um Prozesse zu machen und anfangen kreativ zu arbeiten. Frei von Blockaden und Ängsten sollte jedes Skizzenbuch sein und du auch. » Meine Reaktion dazu war als erstes verblüfft aber auch begeistert. Es fing an Spass zu machen, ohne Blockaden zu arbeiten und manchmal einfach «grusige/hässliche» Seiten zu erschaffen. Oft waren es eher diese Art von Seiten, welche neue Ideen brachten oder bei Übungen am meisten halfen besser zu werden.



Stärkere Erinnerungen als mit Kamera

In der Schule sassen wir alle im Kreis und durften die Sammlung von Skizzenbücher eines älteren Dozenten betrachten welcher über 30 Jahre lang verschiedenste Skizzenbücher gefüllt hatte. Es war unglaublich spannend und eindrücklich als er uns zu jedem Buch und fast jeder Seite eine Geschichte hätte erzählen können (Dafür reichte aber die Zeit nicht aus). Auf manch einer Seite fing er an zu lachen und konnte bis ins kleinste Detail uns erzählen was er da gerade gemacht hatte und wie die Stimmung war. Egal ob es 25 Jahre her zu sein schien. Ein Porträt einer Geliebten, Studien einer interessanten Pflanze, welche er beim Baden mit seinen Kollegen fand, eine Stadtmauer und Skizzen von Strassenmusiker, alles festgehalten mit Tinte, Farben, Collagen und eingeklebten getrockneten Pflanzen. Er erklärte uns, dass ein Skizzenbuch oder ein Journal Momente unglaublich intensiv festhalten können, seien es echte Momente welche wir erlebt haben oder Momente, welche wir in unseren Gedanken vorfinden und dies alles ohne viel Geld. Es benötigt lediglich ein wenig Zeit, ein Skizzenbuch und einpaar Schreib-Mal-Utensilien. Aber warum ist das so?

Wenn wir irgendwo sitzen und unser Skizzenbuch mit Gedanken, der Szene welche wir sehen als Skizze oder Collage füllen, speichern wir Erinnerungen meist intensiver ab als mit Kamera. In den Ferien Beispielsweise sehen wir eine nette Landschaft, wir setzen uns für einen Augenblick auf die Mauer und machen ein Foto innerhalb von Sekunden. Danach schreiten wir vielleicht bereits weiter, da wir die Erinnerung ja in wenigen Sekunden erstellt haben, dank der Kamera. Achtung, hier spreche ich von der Norm, nicht vom achtsamen Fotografen. 

Wenn wir uns nun aber hinsetzen und das Skizzenbuch hervornehmen, uns Zeit nehmen die Umgebung, den Ort zeichnerisch aufzunehmen, benötigen wir länger als ein paar Sekunden. Wir hören Geräusche, riechen Düfte in der Luft, sprechen vielleicht mit unseren Kollegen und beobachten ganz genau. Mehrere Sinne sind also gleichzeitig aktiv und speichern gemeinsam diese Erinnerung ab.

Vielleicht kleben wir noch die Rechnung vom Kaffee, welchen wir vorher getrunken haben in das Skizzenbuch und locker ist eine ganze halbe Stunde vergangen, eh wir das Erinnerungsbild erstellt haben. Wir schreiben, kleben, zeichnen, bewegen die Hände, spüren die Blätter, wir hören gleichzeitig und beobachten ganz genau und länger, da wir versuchen den Moment so gut wie möglich festzuhalten. Im Gegensatz zur Kamera, welche dies für uns macht (Wenn es sich um die Norm handelt). Bei Menschen, welche beim Fotografieren auf Lichtverhältnisse, Umgebung und so weiter achten spreche ich nicht von der Norm. In diesem Beispiel hier benenne ich die Menschen, welche einfach schnell abknipsen ohne Gedanken dazu. Was ich auch überhaupt nicht wertend empfinde, dies tue ich auch aber im Vergleich zur Erinnerung zur achtsameren Fotografie oder wie hier in diesem Beispiel des Skizzenbuches, sind es Welten, welche nicht zu vergleichen sind. Insbesondere, wenn Jahre später entweder das schnell geknipste Foto betrachtet wird oder sie Seite im Skizzenbuch.


Kein Souvenir aber ein Skizzenbuch

Dank dieser einfachen Methode des Skizzenbuches oder des Journal machte sich mir eine neue Welt auf und eine neue Möglichkeit, Gedanken, Momente oder Gefühle festzuhalten ohne einen extremen Aufwand zu betreiben. Heute kann ich tatsächlich ein Skizzenbuch von mir betrachten, welches mittlerweile 10 Jahre alt ist und ich weiss genau, was ich in dieser Zeit empfunden, gedacht oder getan habe. Manchmal sogar wo ich diese Skizzen angefertigt habe und was meine Wünsche waren. Natürlich habe ich auch Fotos aus dieser Zeit, aber diese sind weniger persönlich und ergeben mehr einen Blick von Aussen als von Innen. Schliesslich sehe ich beim Betrachten meiner Skizzenbücher die selbe Perspektive, wie ich sie damals hatte als ich diese Seiten erstellt hatte. 

Somit sind meine Skizzenbücher auch eine Art Fotoalbum oder Tagebücher, auch wenn ich nicht immer etwas dazu schreibe. Über all diese Jahre kann ich nun auch eine Entwicklung sehen in den zeichnerischen Fähigkeiten aber auch in meiner eigenen Persönlichkeit und dies ist unglaublich cool und lässt mich reflektieren oder manchmal positiv nachdenklich werden. Wenn ich in andere Länder reise, benötige ich oft keine Souvenirs, da ich Verpackungen von Kaugummis oder anderen Dingen in das Skizzenbuch hinein klebe und schreibe, Notizen mache. Natürlich ist es mir auch wichtig schöne Fotos zu machen aber genauso wichtig ist es mir einen Moment zu haben in dem ich eine oder mehrere Seiten in meinem Skizzenbuch füllen kann. Währenddessen mag ich es die Umgebung, um mich wahrzunehmen wie am Anfang beschrieben. Andere Sprachen, andere Düfte in der Luft und hoffentlich jemand mit dabei welcher dieselben Freuden und Leidenschaften teilt wie ich und diese auch versteht aber natürlich ist es auch mal alleine ganz nett.





Meine Sammlung

Ich gebe zu, dass ich unglaublich gerne Skizzenbücher sammle und wenn ich nicht aufpasse, wohl am liebsten alle zwei Wochen ein neues Kaufen würde. Diese Sucht lässt sich aber stillen, indem ich mir sage, dass ich genügend zu Hause habe, welche noch gefüllt werden müssen. Ab und zu kann ich aber nicht Wiederstehen, wenn es sich um ganz spezielles Papier oder einen ganz schönen Umschlag handelt, welcher in meiner Sammlung noch fehlt. Dies kommt glücklicherweise aber relativ selten vor. 

Auch Lust auf ein Skizzenbuch gekriegt? Sehr empfehlenswert und mit viel Spass und Freude verbunden.


Die Marken welche mir gerade einfallen und welche ich mag, sind Moleskin, Midori und Nuuna.
Aber natürlich gibt es noch ganz viele andere und auch günstigere Varianten. Am besten lassen Sie sich in einer Papeterie beraten oder machen einen Ausflug in den Boesner.

Ich selber bin freischaffende Illustratorin und liebe es immer wieder meine Skizzenbücher mit neuen Aufgaben, Studien oder Erlebnissen zu füllen.


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